Waldburg-Zeil Kliniken
Zeit für Patienten. Perspektiven im Job. Weiter denken.
 
 
 
 

DIE SCHWÄBISCHE ZEITUNG BERICHTET

Kliniken fürchten eiskalten Strukturwandel

Berlin - Isny - Den Krankenhäusern im Land geht es schlecht. Die meisten sind - beschleunigt durch die Inflation - tief in die roten Zahlen gerutscht, weil die Schere zwischen Kosten und Erlösen immer weiter auseinanderklafft. Daher beteiligt sich die Ravensburger Oberschwabenklinik (OSK), die 2023 voraussichtlich ein Defizit von 27,9 Millionen Euro macht, am bundesweiten Aktionstag „Alarmstufe Rot - Krankenhäuser in Not“. Und auch die Waldburg-Zeil-Kliniken (WZK) mit Sitz in Isny machen am 20. Juni mit. Denn wenn immer mehr Akutkrankenhäuser schließen müssen, fehlen ihnen bald auch die Reha-Patienten.
Laut OSK-Pressesprecher Winfried Leiprecht wird am Dienstag im Eingangsbereich des Ravensburger Elisabethen-Krankenhauses ein Informationsstand aufgebaut, um Patienten und Besucher auf die Lage hinzuweisen. Als sichtbares Zeichen des Protestes sollen sich zudem alle Mitarbeiter rote Kleidung anziehen - mit Ausnahme der Ärzte und Pfleger, die ihre normale Berufskleidung tragen müssen. Auf diversen Social-Media-Kanälen will die OSK zusätzlich auf die Probleme aufmerksam machen.  
  
 

Eine schnelle Lösung: Bürokratie abschaffen

 
„Rund um die Uhr leisten unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tolle Arbeit für die Patienten und müssen dann erleben, wie die angemessene Vergütung dafür ausbleibt“, äußert sich OSK-Geschäftsführer Franz Huber auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. „Im Gegenteil müssen wir uns für Defizite rechtfertigen, die durch die Vorhaltung von Leistungen für teils schwer kranke Menschen entstehen. Das ist nicht gerecht.“  
  
Auch die WZK als privater Klinikbetreiber mit zwölf Standorten im Reha-Bereich sind besorgt und unterstützen die Aktion. Lokale Insolvenzen beträfen nicht nur Patienten, sondern auch die Mitarbeiter eines Krankenhauses. Sie müssten in der Regel längere Arbeitswege und damit einen anstrengenderen Arbeitstag in Kauf nehmen.  
  
 

Politische Fehlentscheidungen schwächen die Reha

 
Viele Fachkräfte würden in so einem Fall dann in andere Branchen abwandern - was auch die Reha-Kliniken zu spüren bekommen, wie Ellio Schneider, Vorstand im Bundesverband der Deutschen Privatkliniken (BDPK) und seit mehr als 30 Jahren Geschäftsführer der WZK, erläutert: „Unsere Rehakliniken spüren es deutlich, wenn es den umliegenden, operierenden Krankenhäusern durch politische Fehlentscheidungen schlecht geht.“ 
Er schließe sich dem Protest und dem Aktionstag an, weil die Krankenhäuser endlich wieder Verlässlichkeit bei der Finanzierung benötigen würden. „Wir müssen weg von immer neuen Hilfspaketen“, so Schneider. Die Krankenhäuser bräuchten verlässliche Sicherheit. „Sicherheit für Krankenhausträger, Beschäftigte, aber auch und vor allem für Patientinnen und Patienten.“  
  
Dann gäbe es auch mehr finanziellen Spielraum für die Rehabranche und ihre Mitarbeiter, meint der Geschäftsführer. „Wenn politisch nicht gehandelt wird, erleben wir einen eiskalten Strukturwandel mit Insolvenzen, Schließungen und verheerende Auswirkungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Patientinnen und Patienten.“  
  
 

Was muss geschehen?

 
Aber was müsste konkret geschehen, um die Situation der Krankenhäuser schnell zu verbessern? „Ich sehe erstens eine große Chance, kostengünstig und schnell Erleichterung zu schaffen: im Abbau der Bürokratie. Der kostet die Bundesregierung keinen Cent - und bringt uns eine immense Kostenersparnis. 20 bis 30 Prozent Ressourcen stünden plötzlich wieder Patienten zur Verfügung und dienten nicht wie jetzt dazu zu dokumentieren, zu kontrollieren und nachzuweisen. Damit kann man auch sofort beginnen“, meint Schneider.  
  
Deshalb fordere der BDPK eine Aussetzung der bestehenden bürokratischen Regulierungssysteme, die wissenschaftlich begleitet werden sollte. „Nach einem definierten Zeitraum kann dann evaluiert werden, ob es Maßnahmen wie die ,Fehlbelegungsüberprüfungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung' oder die ,untere Grenzverweildauer für Krankenhausbehandlungen' wirklich bräuchte“, nennt Schneider zwei Beispiele. „Damit wird auch der Beruf wieder attraktiver, denn viele Menschen im Gesundheitswesen geben nicht zuletzt wegen der hohen Dokumentationsquote und dem Kontrollwahn, also dieser ganzen Misstrauenskultur, ihren erlernten Beruf auf.“  
  
 

Preissteigerungen müssen weitergegeben werden

 
Zweitens müsse Kliniken eine Möglichkeit eingeräumt werden, Preissteigerungen weiterzugeben - zum Beispiel an die Kostenträger, also die Krankenkassen oder die Deutsche Rentenversicherung, die die Kosten für eine Reha übernehmen. „Das, was wir pro Patient und Tag für eine Reha erhalten - die sogenannten Vergütungssätze -, sind fest verhandelte Pauschalen. Oft genug finden solche Verhandlungen für Pflegesätze übrigens nicht vorausschauend für die nächsten Jahre statt, sondern rückwirkend. Oder marktbeherrschende Kostenträger lehnen einen fairen Ausgleich für die gestiegenen Preise für nahezu alle Lebensmittel, aber auch Dienstleistungen einfach ab.“ Aber natürlich hätten die Geschäftspartner und Lieferanten ihre Preise inzwischen der Inflation entsprechend deutlich angehoben. Schneider: „Auf der Differenz bleiben wir sitzen.“  
  
Auch OSK-Geschäftsführer Huber hat Ideen, wie die Kliniken gerettet werden könnten: über ein Maßnahmenpaket für die Krankenhäuser „mit sprichwörtlich lebensrettenden Sofortmaßnahmen“. Das betreffe zuallererst einen Inflationsausgleich und einen Ausgleich für die drastisch steigenden Personalkosten. Für Baden-Württemberg müsse dabei auch dem überdurchschnittlich hohen Lohn- und Preisniveau verglichen mit anderen Bundesländern Rechnung getragen werden. Huber: „Ein Rettungsring in Sichtweite nützt bei der akuten Gefahr des Ertrinkens nur wenig. Wir brauchen Hilfe sofort.“  
  
Zweitens sollte sich die Vergütung vom reinen Fallpauschalensystem lösen und die Finanzierung der Vorhaltungen durch den Staat sichergestellt werden. „Alle wollen die hoch qualifizierte Notfallversorgung in der Fläche aufrechterhalten. Dass wir rund um die Uhr Personal und Geräte vorhalten, ist ein gewaltiger Kostenfaktor. Es ist geradezu absurd, dass wir dafür letztlich wirtschaftlich bestraft werden“, meint der OSK-Geschäftsführer.  
  
 

Umverteilung des Geldmangels beenden

 
Die geplante Krankenhausreform des Bundesgesundheitsministeriums bewerten die beiden Klinikchefs hingegen etwas unterschiedlich. Ellio Schneider ist nicht sehr optimistisch: „Bisher ist die geplante Krankenhausreform vor allem von einer Umverteilung des Geldmangels gekennzeichnet. Das deutsche Gesundheitssystem muss aber von Grund auf reformiert werden. Wie notwendig das ist, sieht man auch daran, dass inzwischen fast jede Woche ein Teil der Branche - so wie die Apotheken kürzlich - auf die Barrikaden steigt.“ Dem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wirft der langjährige Krankenhausmanager vor, die Kliniken in seinem Gesetzesentwurf zu „isoliert und wirklichkeitsfremd“ zu betrachten. Versorgungsbereiche müssten im Ganzen und in ihrer Wechselwirkung berücksichtigt werden. „Das kann man bei uns im ländlichen Raum sehr gut beobachten. Die Regionalplanung muss also die hausärztliche Versorgung ebenso im Blick haben wie die fachärztliche Versorgung. Zuerst sollte man die Notfallversorgung sicherstellen, also für Schlaganfälle, Herzinfarkte und so weiter. Dann muss man sich die Versorgung chronisch kranker Patienten anschauen und dafür spezialisierte Krankenhäuser und Fachkrankenhäuser einplanen“, meint Schneider.  
  
Der OSK-Geschäftsführer hingegen sieht durchaus positive Veränderungen durch die Reform, die für nächstes Jahr geplant ist. „Wenn es stimmt, was das Ärzteblatt dieser Tage berichtet, dass nämlich die sture Einteilung der Kliniken in drei Level vom Tisch sei, ist dies schon mal positiv“, so Huber. Eine Orientierung an Leistungsgruppen und die Sicherung der Vorhaltekosten wären geeignete Leitplanken für eine Reform. Denn vor allem in einem Punkt gibt Huber Lauterbach recht: „Wir haben zu viele Krankenhäuser an zu vielen Standorten und zu wenig Fachpersonal, um zukünftig auch alle Kleinstkrankenhäuser qualitativ adäquat betreiben zu können.“  
  
Schwäbische Zeitung, gesamter Landkreis, vom 20.6.2023.  
  
Veröffentlicht am: 21.06.2023  /  News-Bereich: News vom Träger
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